Folge 9: Unsichtbare Gefahr: Resistente Keime in der Klinik

Shownotes

Antibiotikaresistenzen sind in den Kliniken nicht mehr die Ausnahme, sondern Alltag. Problematisch ist das vor allem für schwerkranke Patienten, die auf der Intensivstation behandelt werden müssen, oder solche, die etwa wegen einer Organtransplantation Medikamente einnehmen müssen, die das Immunsystem unterdrücken. In dieser Folge von „Mikroben im Visier“ sprechen Elisabeth und Christian mit Prof. Dr. Jan Buer, der am Universitätsklinikum Essen das Institut für medizinische Mikrobiologie leitet. Er ist Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Forschungsverbunds Leibniz INFECTIONS und war bis vor kurzem Präsident der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie.

Die Erreger bringen die Patienten oft schon mit in die Klinik. Am Klinikum Essen erfolgt daher bei Aufnahme routinemäßig ein Antibiotika-Screening. „Das heißt, jeder Patient, der bei uns stationär aufgenommen wird, wird gescreent auf solche Resistenzen, einfach um die Verbreitung im Klinikum zu verhindern. Das macht aber auch viel Arbeit. Pro Jahr führen wir bei uns am Institut ungefähr 300.000 Untersuchungen durch.“

Welche Erreger sind besonders gefährlich?

Ein Klassiker unter den Problemkeimen ist Staphylococcus aureus (S. aureus). Das Bakterium ist häufig Teil der natürlichen Hautflora und meist harmlos. Unter bestimmten Bedingungen kann es aber Auslöser schwerer Infektionen sein. Besonders besorgniserregend sind resistente Varianten wie MRSA (Methicillin-resistente S. aureus), gegen viele Antibiotika nicht mehr wirken. Aktuell bereiten aber auch gramnegative Bakterien wie Acinetobacter-Arten oder Darmbakterien wie Escherichia coli und Klebsiella pneumoniae große Sorgen. Und auch Pilzinfektionen gewinnen an Bedeutung, insbesondere bei immungeschwächten Patienten. „Wenn da Resistenzen entstehen, dann ist das meistens auch immer sehr letal (tödlich) für den Patienten.“

Hygiene, Händewaschen und neue Ansätze

Hygiene bleibt eine der mächtigsten Waffen gegen die Ausbreitung von Krankheitserregern: Händewaschen, Desinfektion, Isolierung von Risikopatienten – das sind einfache, aber oft entscheidende Maßnahmen. Aber: „Selbst, wenn wir super Hygiene machen, wird man das allein damit nicht in den Griff kriegen“, sagt der Immunologe. Am Klinikum Essen hilft künstliche Intelligenz beim zielgerichteten Einsatz von Antibiotika. Eine speziell für diesen Zweck entwickelte App macht das Auftreten von resistenten Krankheitserregern sichtbar und hilft den behandelnden Ärztinnen und Ärzten, die richtige Therapie auszuwählen.

Neue Antibiotika sind Mangelware. Hinzu kommt, so der Experte: „Wenn wir jetzt zum Beispiel mal ein neues Antibiotikum kriegen, dann brauchen die Bakterien meistens nicht sehr lange, bis sie resistent sind.“ Forschung und Entwicklung konzentrieren sich daher auf alternative Strategien. Ein Weg ist die gezielte Aktivierung des Immunsystems. Ein anderer, vielversprechender Ansatz ist die Phagen-Therapie – also der Einsatz von Viren, die gezielt Bakterien angreifen. Die Phagen-Therapie ist heute in einigen Kliniken bereits im Einsatz. Doch der Weg zu einer breiten Anwendung ist noch lang: Es braucht mehr Forschung, mehr Studien und politische Unterstützung.

Ebenfalls eine Option bietet die Untersuchung des Mikrobioms (der gesamten Bakteriengemeinschaft) im Körper. Die Hoffnung ist, dabei Substanzen zu identifizieren, die gegen Infektionen wirken.

Um hier Fortschritte zu erzielen ist es unbedingt erforderlich, so Jan Buer, mehr in die Infektionsforschung zu investieren. Er kritisiert die "relativ brache Industrielandschaft" in Bezug auf Antibiotika-Entwicklung. „Wir müssen alle unsere Köpfe zusammentun und müssen neue Wege finden, die Antibiotika zu verbessern.“

Globale Situation

Eine aktuelle Analyse der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zeigt: Im Jahr 2023 war weltweit jede sechste laborbestätigte bakterielle Infektion resistent gegen gängige Antibiotika. Zwischen 2018 und 2023 nahm die Resistenz bei über 40 % der überwachten Erreger-Antibiotika-Kombinationen zu – mit einem durchschnittlichen jährlichen Anstieg von 5 bis 15 %.

Begriffserklärungen

Antimikrobielle Resistenzen (AMR) Die Unempfindlichkeit von Krankheitserregern (Bakterien, Pilzen, Viren, Parasiten) gegenüber Medikamenten. Das bedeutet: Ein Medikament, das früher gewirkt hat, kann den Erreger nicht mehr abtöten oder stoppen.

Antibiotika Medikamente, die speziell gegen Bakterien wirken.

Gramnegativ/grampositiv Gramnegativ bzw. grampositiv bezieht sich auf das Verhalten von Bakterien in der Gram-Färbung. Diese ermöglicht es, Bakterien in zwei große Gruppen mit unterschiedlichen Eigenschaften einzuteilen.

Immunsuppression/immunsupprimiert Bei einer Immunsuppression wird das Immunsystem mit speziellen Medikamenten unterdrückt, also supprimiert. Diese absichtliche Schwächung des Immunsystems ist zum Beispiel nach einer Organtransplantation notwendig, damit der Körper das fremde Organ nicht abstößt. Auch bei Autoimmunerkrankungen werden immunsupprimierende Medikamente eingesetzt.

Phagen Bakteriophagen (Kurzform: Phagen) sind Viren, die Bakterien abtöten und spezifisch für eine Bakterienart sind. Aus diesem Grund stellen Bakteriophagen einen vielversprechenden Therapieansatz zur Behandlung von bakteriellen Infektionen dar – insbesondere im Kampf gegen multiresistente Erreger. Obwohl Bakteriophagen schon seit mehr als 100 Jahren medizinisch eingesetzt werden, wurde die Wirksamkeit und Sicherheit von Bakteriophagen bisher nicht in einer großen randomisierten, kontrollierten Studie nachgewiesen.

Weitere Information Leibniz INFECTIONS

Transkript anzeigen

Christian Nehls: Christian: Willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts Mikroben im Visier. Wir sprechen hier über resistente Krankheitserreger, wie sie sich verbreiten und was wir dagegen tun können.

Elisabeth Pfrommer: Elisabeth: Die meisten bakteriellen Infektionen können dank Antibiotika erfolgreich behandelt werden. Doch immer häufiger kommen resistente Bakterien vor. Das heißt, sie sind gegen Medikamente unempfindlich.

Christian Nehls: Christian Und in der heutigen Folge richten wir den Weg dorthin, wo die Folgen dieser Entwicklung besonders spürbar sind, in die Klinik. Infektionen mit multiresistenten Erregern verzögern dort Heilungen und können dazu führen, dass Behandlungen viel komplizierter werden. Sie verlängern dann Krankenhausaufenthalte und kosten im schlimmsten Fall Menschenleben.

Elisabeth Pfrommer: Elisabeth: Um mehr über die Lage in der Klinik zu erfahren, haben wir den Immunologen und medizinischen Mikrobiologen Prof. Dr. Jan Buer vom Universitätsklinikum Essen eingeladen. Jan ist Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Forschungsverbundes Leibniz INFECTIONS und war bis vor kurzem Präsident der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie.

Christian Nehls: Christian: Hallo Jan, vielen Dank, dass du heute bei uns bist.

Jan Buer: Jan: Hallo Christian, Hallo Elisabeth. Ich freue mich auch, heute über Antibiotikaresistenzen und die Probleme, die durch Antibiotikaresistenzen im Krankenhaus auftauchen.

Christian Nehls: Christian: Ja, du leitest am Uniklinikum Essen ja das Institut für medizinische Mikrobiologie, und dort kommen ja alle Proben von Patienten an, die im Krankenhaus behandelt werden und werden dann auf Bakterien, Pilze und andere Krankheitserreger untersucht. Und außerdem untersucht ihr, gegen welche Antibiotika oder Antipilzmittel die Erreger im jeweiligen Fall resistent sind. Wie häufig findet ihr dann heraus, dass solche Resistenzen vorliegen.

Jan Buer: Jan: Ja, das ist mittlerweile eigentlich nichts Besonderes, weil das ist eigentlich unser tägliches Brot, dass wir Antibiotika-Resistenzen in unseren Patienten nachweisen. Aber vielleicht kann ich noch mal ein bisschen breiter ausholen. Und zwar am Universitätsklinikum Essen sind wir eines der führenden Transplantationszentren in Deutschland. Wir transplantieren zum Beispiel Patienten, die eine neue Leber brauchen oder eine Lunge brauchen, die Knochenmark ein neues brauchen. Und das sind Patienten, die in der Regel stark immunsupprimiert sind. Gerade bei diesen immunsupprimierten Patienten spielen solche multiresistenten oder auch einfach nur einfachresistente Bakterien eine ganz, ganz große Rolle.

Elisabeth Pfrommer: Elisabeth: Das heißt, du hast es auch schon gesagt, es ist eigentlich gar nicht mehr die Ausnahme, sondern schon fast die Norm, dass die Erreger resistiert sind.

Jan Buer: Jan: Ja, also wir kämpfen natürlich dagegen. Und ein Weg, den wir in Essen zum Beispiel gehen, ist, dass wir Antibiotika Screens durchführen. Das heißt, jeder Patient, der bei uns stationär aufgenommen wird, wird gescreent auf solche Resistenzen, einfach um die Verbreitung im Klinikum zu verhindern. Das alleine ist aber schon gar nicht so einfach, weil wenn so ein Patient zu uns ins Krankenhaus kommt, dann hat er im Körper über ein Kilogramm Bakterien. Auf der Haut sitzen 200 Gramm, im Darm sitzen noch mal ein Kilogramm. Das heißt also, wenn so ein Patient, der meistens auch ganz schwer krank ist, zu uns kommt, dann bringt er diese Bakterien schon mit. Diese Bakterien haben in der Evolution gelernt, gegenüber Antibiotika resistent zu sein.

Christian Nehls: Christian: Das klingt jetzt schon mal ziemlich kompliziert, wenn jeder ´rein kommende Patient, jede Patientin, erstmal gescreent, untersucht werden muss. Ist das denn so, dass das in allen Kliniken in Deutschland so gemacht wird?

Jan Buer: Jan: Ich denke, in den vielen großen Universitätskliniken screenen wir mittlerweile sehr gezielt. Wir machen es sehr breit. An anderen Standorten wird es nicht ganz so breit gemacht. Es ist unsere praktische Erfahrung, dass wir damit eigentlich in den letzten 10 bis 15 Jahren eigentlich ganz gut gefahren sind. Einen solchen Erreger, den wir zum Beispiel screenen, ist der multiresistente Staph aureus. Wir wollen einfach verhindern, dass die sich bei uns ausbreiten. Das macht aber viel Arbeit auch. Das ist einfach eine enorme Belastung auch für unser Personal. Wir führen ungefähr 300.000 Untersuchungen durch bei uns am Institut, und das zeigt so bisschen auch um welchen Stellenwert es hier geht.

Elisabeth Pfrommer: Elisabeth: Bevor wir jetzt weitermachen, kommen wir wieder zu unserer Kategorie Mikrobe des Monats. Heute wollen wir über Staphylococcus aureus reden.

Christian Nehls: Christian: Staphylococcus aureus ist ein weitverbreitetes Bakterium, das natürlicherweise auf Haut- und Schleimhäuten vorkommt. Es ist oft harmlos, aber in bestimmten Situationen, wie etwa bei geschwächtem Immunsystem oder offenen Wunden, kann Staphylococcus aureus Krankheiten hervorrufen, darunter eitrige Hautinfektionen, Lungenentzündung, Herzklappenentzündung, Knocheninfektionen oder sogar eine lebensbedrohliche Sepsis. Viele Varianten von Staphylococcus aureus sind gegen die herkömmlichen Antibiotika resistent. Besonders problematisch sind resistente Stämme wie MRSA. Das sind Methicillin-resistente Staphylococcus aureus, gegen die viele Antibiotika wirkungslos sind. Infektionen mit MRSA lösen in Kliniken schwer behandelbare Infektionen aus. Die Hauptübertragungswege sind der Kontakt mit Personen, die bereits MRSA-Träger sind und der indirekte Kontakt über gemeinsam genutzte Gegenstände wie Handtücher. Auch mangelnde Hygiene ist ein wichtiger Übertragungsweg.

Christian Nehls: Christian: Wenn wir jetzt nochmal zurück auf die Krankenhäuser kommen, du sagtest ja eben, ihr untersucht die reinkommenden Patienten, wenn wir jetzt mal auf das Krankenhausgeschehen gucken, wo sind da die größten Problemzonen?

Jan Buer: Jan Ja, also immer da, enger Kontakt zu den Patienten ist. Bei uns ist das zum Beispiel so, dass viele unserer Patienten intensivpflichtig sind. Und wenn ein intensivpflichtiger Patient bei uns im Krankenhaus ist, dann ist es sehr, komplex. Da finden viele Kontakte auch mit dem Patienten statt. Und da muss man dann ganz besonders eng wirklich schauen, dass es hier nicht zur Verbreitung von Erregern kommt. Aber ich hatte ja schon gesagt, dass der Patient bringt ja schon viele Bakterien mit. Selbst wenn wir super Hygiene machen, wird man das allein damit nicht in den Griff kriegen. Wir setzen auch künstliche Intelligenz in Essen ein, wo wir bestimmte Software-Apps haben, wo wir das Auftreten von solchen Krankheitserregern leichter sichtbar machen können für die behandelnden Ärzte. Und dass man dann gezielt Antibiosen zum Beispiel auswählt anhand der Daten, die wir dann zur Verfügung haben. Das ist eine Riesenchance in Zukunft auch.

Christian Nehls: Christian: Das heißt, die künstliche Intelligenz wird dann mit den Daten von den Patienten gefüttert und entscheidet schneller als das, was das Personal machen könnten? Oder was ist da genau der...

Jan Buer: Jan: Es sollte nicht so weit gehen, dass die Künstliche Intelligenz entscheidet. Ich glaube, ist ganz entscheidend, dass wenn wir KI einsetzen, bei uns im Uni-Klinikum Essen zum Beispiel, dass am Ende doch der Patient ist, der behandelt wird, und zwar von einem Arzt. Und der Arzt entscheidet letztendlich, was gemacht wird. Aber wir beraten uns da in Teams. Also wenn heute zum Beispiel von einer Intensivstation ein Patient mit Antibiotika behandelt wird, weil er schwer krank ist, dann ist es nicht ein einzelner Mikrobiologe, der da ist, dann ist das ein sogenanntes Antibiotika-Beratungsteam. Und dieses interdisziplinär-Team, das kann aber dann solche KI-Daten zur Hilfe nehmen.

Elisabeth Pfrommer: Elisabeth: Mich würde noch mal im Detail interessieren, wie die künstliche Intelligenz wirklich funktioniert. Ihr habt, wie ich verstanden habe, eine App, die ihr mit Patientendaten füttert. Aber wie funktioniert das im Alltag?

Jan Buer: Jan: Wir haben in Essen einen Weg gewählt, dass wir 2008 ein Institut für künstliche Intelligenz in der Medizin gegründet haben. Viele Professoren forschen und entwickeln im Prinzip genau solche Apps, wo dann der Kliniker Daten aufbereitet kriegt, die wir in unserem Krankenhausinformationssystem sammeln. Wir müssen erst mal ganz viel Daten erfassen. Das tun wir schon seit vielen Jahren, glaube ich, sehr breit. Aber die KI ist jetzt auf einmal die Technologie, die es uns ermöglicht, diese Daten wirklich auszuwerten. Ich glaube aber, es gibt auch noch einen anderen Aspekt, der für mich als Forscher fast noch spannender ist, weil eigentlich sind wir, also ich bin ja eigentlich auch Immunologe, und unsere Hoffnung ist eigentlich, dass wir auch anders als nur solche KI-basierten Ansätze, wir auch neue Strategien entwickeln, wie man zum Beispiel solche Antibiotikaresistenzen dadurch beeinflussen kann, dass man das Immunsystem gezielt aktiviert, gegen ein Bakterium vorzugehen. Oder dass man zum Beispiel Phagen einsetzt, die in der Lage sind, solche Dinge zu machen. Wir sind ja heute hier am Forschungszentrum in Borstel, auch da gibt es Phagen-Ansätze, um zum Beispiel bei TB neue Lösungen zu finden. Das ist ja eines unserem vielleicht größten Damoklesschwert, die Tuberkulose, und wir alle an einem Strang ziehen müssen. Wir müssen alle unsere Köpfe zusammentun und müssen neue Wege finden, die Antibiotika zu verbessern. Das Hauptproblem ist aus meiner Sicht auch, dass wir nach wie vor eine relativ brache Industrielandschaft in Deutschland haben oder auch im Norden, eigentlich auf der ganzen Welt, wenn es Antibiotika geht. Bei uns in Essen gibt es ein sehr starkes Krebszentrum. In diesem Krebszentrum sind sehr, sehr viel mehr Medikamente zur Verfügung als für solche Infektionskrankheiten. Da brauchen wir einen Schulterschluss auch mit der Politik. Und wir haben auch in Deutschland ja doch sehr viele politische Wege gewählt, wo wir uns mit der Politik zusammengetan haben, zum Beispiel die Forschung dahingehend zu unterstützen, dass gezielt Antibiotika oder Antibiotika-ähnliche Strategien entwickelt werden können in Deutschland, auch wenn sich das für die kommerziell nicht primär lohnt.

Elisabeth Pfrommer: Elisabeth: Ja, ein Begriff, ja da auch oft fällt, ist der Begriff Reserveantibiotikum. Vielleicht kannst du nochmal ganz kurz erklären, was das bedeutet und warum dessen Einsatz so kritisch ist.

Jan Buer: Jan: Ja, also wenn man... Wenn man Reserveantibiotika im Kopf hat, dann muss man sich einfach vor Augen führen, dass wir heute in der Situation sind, dass Patienten zu uns ins Krankenhaus kommen, auf Intensivstation sind, und dann Infektionskrankheiten auftreten, wo gar kein Antibiotikum mehr wirkt. Oder nur noch ganz, ganz wenige. Und das ist natürlich ganz, ganz bedrohlich. Und deswegen brauchen wir da neue. Und wir müssen einmal sehr kritisch mit dem Einsatz von Antibiotika umgehen. Das heißt, Antibiotikatherapien sollten immer nur sehr gezielt stattfinden. Aber trotz der gezielten Abgabe haben wir in bestimmten Bereichen zu wenig dieser Substanzen. Wenn wir jetzt zum Beispiel mal ein neues Antibiotikum kriegen, dann brauchen die Bakterien meistens nicht sehr lange, bis sie resistent sind.

Christian Nehls: Christian: Du hattes ja schon erwähnt, dass es diese Methicillin resistenten Staphylococcus aureus Stämme gibt, kurz MRSA, und dass das ein ganz besonders häufig auftretender Stamm ist. Welche anderen Erreger bereiten euch in der Klinik denn Sorgen?

Jan Buer: Jan: Ja, also Acinetobacter, ein typisches gramnegatives Bakterium, ist eigentlich so ein echter Problemfall. Die WHO hat ja auch so Listen rausgegeben, kann man auch im Internet sehr schön nachgucken. Was sind so gerade die ganz großen Probleme? Für mich persönlich ist auch Tuberkulose eines der großen Probleme. Aber die ganzen gramnegativen Bakterien sind aus meiner Sicht etwas, was ganz, ganz furchtbar ist. Und die MRSA machen uns eigentlich nicht so viel Sorgen mehr im Krankenhaus. Das hat man einigermaßen im Griff. Aber dieser Schwank von den grampositiven zu den gramnegativen. Und dann natürlich auch etwas anderes, was immer nicht so ganz im Fokus ist, aber Pilzinfektionen sind ein zunehmendes Problem bei unseren Patienten, die z.B. transplantiert sind, sind insbesondere Pilzinfektionen besonders gefürchtet. Wenn da Resistenzen dann entstehen, dann ist das meistens auch immer sehr letal für den Patienten. Und diese Therapien sind extrem teuer. Wir können so die Kosten unseres Gesundheitssystems oder so im Krankenhaus ganz schnell irgendwie an die Grenze führen, wenn wir im Prinzip solche Sachen nicht in Griff kriegen.

Christian Nehls: Christian: Gibt es gegen Pilze denn vergleichbar wenige Antimykotika, die da überhaupt wirksam sind im Vergleich zu Antibiotika?

Jan Buer: Jan: Das Problem bei den Pilzmedikamenten ist, der Pilz, der unterscheidet sich nicht so sehr vom menschlichen Körper wie das Bakterium. Deswegen ist es nicht so einfach eine Substanz zu finden, die spezifisch ist für das Bakterium und nicht für den menschlichen Körper. Deswegen haben diese Pilzinfektionen, die zwar auch mittlerweile ganz gut behandelt werden können mit Antimykotika, immer das Problem, dass doch sehr starke Nebenwirkungen auch entstehen. Die Pilzinfektionen sind aus meiner Seite auch noch nicht so ganz im Fokus. Also es gibt auch in Deutschland nicht so besonders viele Standorte, wo an Pilzinfektionen geforscht wird.

Elisabeth Pfrommer: Elisabeth: Eine Möglichkeit wäre ja auch die Ausbreitung der Erreger per se in der Klinik zu verhindern. Was gibt es da für Wege, die ihr verwendet, um diese Ausbreitung einzudämmen?

Jan Buer: Jan: Ich glaube, die Politik hat in den letzten Jahren in Deutschland sehr breit angesetzt. Es gibt sehr starke Regularien, wie man ein Krankenhaus betreiben muss. Da gibt es Hygienekommissionen, die sich zum Beispiel genau damit beschäftigen, wie bereiten sich die Erreger in Krankenhaus aus. Das wird dann genau gemonitort. Wir wissen ganz genau, wo neue Erreger entstehen in den Stationen und können dann auch gezielt reagieren. Das Händewaschen ist nach wie vor eines der ganz großen Probleme. Klingt so banal, aber das ist trotzdem in den Köpfen der Menschen nicht immer umzusetzen. dann hat man ja auch die Situation, dass wenn man jetzt ... zum Beispiel die Patienten, wenn die im Krankenhaus mehrere Wochen sind, weil sie eine schwere Infektionskrankheit haben oder eine schwere Krebserkrankung, dann kommen auch Besucher dazu, die ins Krankenhaus kommen. Das will man ja auch nicht verhindern. Da muss man auch gute Kontrollen haben. Ein Aspekt, man auch immer in diesem Zusammenhang nicht vergessen darf, das ist Kriege. Also die größte Katastrophe für die Ausbreitung von Infektionskrankheiten sind immer Kriege. Wenn man sieht, was in Nahost jetzt passiert oder was in der Ukraine passiert, das sind ja Menschen, mit denen wir unmittelbaren Kontakt stehen. Und als der Ukrainekrieg losging, da hatten wir in Essen auch die Situation, dass wir relativ viele Patienten aufgenommen haben aus dieser Region. Also wir haben Partnerschaften mit Städten in der Ukraine. Und da war auch die Sorge, dass man zum Beispiel dadurch Erreger einschleppt. Das hat sich jetzt in der Form eigentlich nicht so bestätigt, weil wir aber auch sehr genau nachgeschaut haben. Wir haben gezielt geguckt, ob die Patienten jetzt bestimmte gramnegative Resistenzen mitbringen oder ob die Tb haben oder so, was man sonst in osteuropäischen Ländern eher häufiger hat als bei uns.

Elisabeth Pfrommer: Elisabeth: Du hast ja schon zum zweiten Mal gramnegativ und grampositiv verwendet. Vielleicht kannst du noch mal ganz kurz erklären, was da der Unterschied ist, weil für unsere Zuhörer ist bestimmt Bakterium, Bakterium.

Jan Buer: Jan: Ja, man kann Bakterien im Prinzip ganz grob unterteilen, gramnegativ und grampositiv. Das ist im Prinzip so ein ganz klassisches Färbeverfahren für Bakterien. Das kennt jeder, der mal irgendwie in einem mikrobiologischen Labor war. Und man weiß, dass die sehr unterschiedliche Erkrankungen machen.

Christian Nehls: Christian: Du hast ja eben auch erwähnt, dass zum Beispiel Angehörige noch zusätzlich in die Kliniken kommen und auch ich als Patient, da haben wir am Anfang darüber gesprochen, wenn ich in die Klinik komme, bringe ich auch ganz viele Bakterien mit. Wenn ich jetzt über diese Problematik weiß als Patient, gibt es denn bestimmte Wege oder Strategien, wie ich mich vor einem Krankenhausaufenthalt verhalten sollte, worauf sollte ich selber achten und wie kann ich selber unterstützen, dass im Krankenhaus diese Problematik eingedämmt wird?

Jan Buer: Jan: Dass man die Hygienepläne, die es dort im Krankenhaus gibt, ernst nimmt, und dass man das, was die Krankenschwestern oder die Ärzte einem dort dann wirklich auch erklären, also heutzutage ist das ja so, dass auch viel Aufklärungsarbeit im Vorfeld dort läuft. Und dass man das aber auch selber eben ernst nimmt. Und wir Ärzte und Krankenschwestern, sind ja immer auch ein potenzieller Risikofaktor für die Übertragung von solchen Krankheitserregern. Also auch wir selber müssen das natürlich sehr ernst nehmen.

Elisabeth Pfrommer: Elisabeth: Es ging ja auch kurz um Händedesinfektion und gerade beim Personal. Du hast ja gerade erwähnt, dass Personal auch ein potenzieller Übertragungsweg ist. Wenn die jetzt von Raum zu Raum gehen, dann müssten die sich ja beim Reinkommen die Hände desinfizieren, beim Rausgehen die Hände desinfizieren, dann wenn sie wieder in den nächsten Raum gehen, die Hände desinfizieren. Ist das denn in der Praxis überhaupt umsetzbar? Weil ich meine, das ist ja auch durchaus eine Reizung der Hauptbarriere und auch ein Risiko sozusagen wiederum fürs Personal. Und wird das so stringent umgesetzt? Oder gibt es da auch Lücken?

Jan Buer: Jan: Ja, also es muss eben so streng umgesetzt werden. Das ist eben alternativlos; und auch gerade die Verträglichkeit von bestimmten Substanzen oder so. Da gibt es aber mittlerweile auch sehr gute Lösungen. Also ich glaube, dass es – trotz allem – alternativlos ist.

Christian Nehls: Christian: Du hast eben schon erwähnt, die Situation in Krisengebieten. Wenn wir jetzt mal ganz allgemein auf andere Länder schauen, andere Regionen in der Welt, wie sieht die Problematik da in den Kliniken aus? Und wie sind wir in Deutschland, im Gegensatz dazu, wie ist unsere Krankenhauslandschaft da aufgestellt?

Jan Buer: Jan: Ja, wir sind, glaube ich, in Deutschland gar nicht ganz so schlecht, wie man immer so denkt. Ich glaube, dass vieles in Deutschland sehr, sehr gut läuft. So ein Musterland in Europa, gilt immer Holland, weil die auch relativ stringentes Gesundheitssystem haben. Ich glaube aber, dass aus meiner Sicht, eher so südeuropäische Länder, zum Beispiel, also für unser unmittelbares Umfeld natürlich, bei diesen Antibiotikaresistenzen ein Riesenproblem sind. So Länder wie Spanien oder aber auch Griechenland oder so. Und da wir viel Tourismus zum Beispiel auch in diese Länder haben ist natürlich die Möglichkeit, dass solche Sachen sich übertragen. Da gibt es auch asiatische Länder und auch afrikanische Länder und das ist natürlich auch so. Da gibt es aber auch neben den Bakterien immer andere Krankheitserreger, an die man denken muss. Und das ist etwas, was man, wenn man zum Beispiel eine Reise macht oder so, gerade in so asiatische Länder zum Beispiel oder in Afrika oder so, dass man sich mit der Übertragung von Krankheitserregern da im Vorfeld sehr gut informiert, entsprechende Impfmaßnahmen durchführt.

Christian Nehls: Christian: Wenn man sich vorstellt, dass da vermutlich die reinkommenden Menschen dann darauf untersucht werden müssen, ob sie Moskitos mit reinbringen, dann sind da noch ganz andere Herausforderungen.

Jan Buer: Jan: Aber es ist trotzdem, also wir sind ja hier in diesem Leibniz INFECTIONS Verbund, da gibt es ja viele Projekte, die eben auch Schnittstellen in solchen Regionen haben. Deswegen ist das schon auch sehr spannend, das zu erforschen.

Elisabeth Pfrommer: Elisabeth: Du meintest ja, gerade Deutschland steht eigentlich gar nicht so schlecht da. Was würdest du sagen, was gut läuft, und was würdest du aus deiner Sicht gerne verbessern?

Jan Buer: Jan: Aus meiner Sicht ist das größte Problem, dass wir mehr in die Infektionsforschung investieren. Das ist ganz klar. Ich glaube, das Hygienethema, da haben wir in den letzten Jahren viel gemacht. Das ist nicht so, dass man damit irgendwie jetzt Augen zu und durch ist. Das muss man eben ernst nehmen. Aber wir brauchen mehr. Wir brauchen ganz neue Therapieansätze bei solchen schweren Infektionskrankheiten, wie zum Beispiel bei der Sepsis. Ich glaube aber, so ein Infektionsverbund wie dieser, den wir hier in der Leibniz-Gemeinschaft haben, genau das ist, was wir brauchen. Die Politiker müssen auch zuhören und sehen, da müssen wir investieren. Das ist auch so, wenn jetzt wieder Krieg losgeht, wird auf einmal wieder vielleicht investiert in Dinge, die jetzt irgendwie nicht mehr wieder mit Forschung zu tun haben. Das ist ein ganz großes Risiko, weil Kriege sind auch immer mit Infektionskrankheiten assoziiert.

Christian Nehls: Christian: Du hast ist ja eben über neue vielversprechende Ansätze gesprochen und unter anderem die Phagen-Therapie genannt. Was ist das denn genau?

Jan Buer: Jan: Das sind eigentlich Viren von Bakterien. Das sind Substanzen, im Prinzip Viren für Bakterien, die die Bakterien dann gezielt zerstören können. Das Besondere an den Phagen ist auch, dass die eben spezifisch sind. Die Phagen greifen nicht alle Bakterien an, sondern eher gezielt bestimmte Bakterien. Das ist eine gewisse Spezifität, die ich für eine Therapie ganz sinnvoll finde.

Christian Nehls: Christian: Konkret zu den Phagen, werden die denn schon aktiv eingesetzt, erfolgreich? Oder ist das noch in der konzeptionellen Entwicklung? Oder gibt es schon andere Ansätze, die schon vielversprechend neu eingesetzt werden?

Jan Buer: Jan: Die Phagen sind eine ganz alte Geschichte. Das ist eine Forschung, die aus der ehemaligen Sowjetunion kommt. Ich hatte in meiner Assistenzarztzeit in Hannover zum ersten Mal mit solchen Dingen zu tun, dass man bei Wundinfektionen zum Beispiel Phagen eingesetzt hat. Da hat man das für verrückt gehalten. Da war die Situation, da hat man noch geglaubt, wir haben ja Antibiotika, was brauchen wir da solche Alternativen? Mittlerweile ist es so, dass es bei Wundinfektionen, aber auch bei Pseudomonas-Infektionen, zum Beispiel CF, da sind auch Phagen eingesetzt. Bei TB kann man es sehen. versuchen bei uns, für Helicobacter, das ist auch so ein typischer Magen-Darren-Erreger, da versuchen wir auch gezielt, irgendwie Therapien zu entwickeln.

Christian Nehls: Christian: Also werden die Phagen im Krankenhaus schon aktiv eingesetzt?

Jan Buer: Jan: Also es gibt natürlich, die werden in Kliniken schon eingesetzt. Wir haben auch bei uns eine Kooperation mit Georgien dazu. Weil in Georgien aufgrund dieser Historie mit der Sowjetunion da so eine gewisse Expertise ist oder so. Aber das ist alles, glaube ich, in den Anfängen und wir müssen da mehr Forschungsprogramme aufnehmen. Das passiert auch. Es gibt auch zunehmend, glaube ich, gezielt Projekte, die eben solche Sachen eben auch fördern.

Christian Nehls: Christian: Wenn ich mir das über die Phagen jetzt so anhöre, dass die so spezifisch sind, und das ist ja eigentlich eins der Probleme bei Antibiotika, dass sie ja eben nicht nur die schlechten Bakterien, sondern die ganze Community an Mikroorganismen, die wir im Körper haben, irgendwie stören. Da fällt es ja schwer zu glauben, dass sich am Ende Antibiotika dann gegen die Phagen-Therapie, die ja auch schon wie du gesagt hast, so alt ist, am Ende durchgesetzt haben.

Jan Buer: Jan: Deswegen, glaube ich, müssen wir auch neue Ansätze wählen, also Dinge, vielleicht nicht mit klassischen Antibiotika zu tun haben. Also ein Weg, den wir zum Beispiel in Essen gehen, ist, dass wir uns mit Mikrobiomen beschäftigen, dieser gesamten Community der Bakterien, zum Beispiel im Darm oder in der Haut oder so. Und dieses Mikrobiom dann möglicherweise auch Substanzen produziert, die man dazu nutzen kann, antiinfektive Therapien zu machen.

Elisabeth Pfrommer: Elisabeth: Ja, weil es ist ja so, dass im Mikrobiom wirklich die ganzen verschiedenen Bakterien zusammenkommen und sich immer ein bestimmtes Bakterium gerne durchsetzen will und dann natürlich irgendwas freisetzt, also was dann vielleicht wirklich unabhängig von Antibiotika ..

Jan Buer: Jan: Da gibt es, also da wird ja sehr breit geforscht und da gibt es auch Gruppen, die da gute Sachen machen.

Elisabeth Pfrommer: Elisabeth: Was ich jetzt sehr spannend fand, ist, dass wir in Deutschland schon auf einem sehr guten Weg sind und dass auch die Hygienemaßnahmen, die wir in den deutschen Kliniken haben, schon zumindest gut durchgedacht sind. In der Umsetzung vielleicht auch noch bisschen hadert, aber das ist ja wahrscheinlich auch von Klinik zu Klinik sehr unterschiedlich. Und dass wenn wir mehr in der Politik investieren, wir dann auch wirklich einen guten Output haben, weil es eigentlich schon viele gute Ideen gibt, wie in Zukunft mit der Antibiotikakrise umgegangen werden kann.

Christian Nehls: Christian: Und was ich sehr spannend fand, unter anderem, ist, dass künstliche Intelligenz bei euch schon so erfolgreich eingesetzt wird als, ich sag mal, Ratgeber-Tool. Und sehr schön zu hören, dass es auch schon neue Ansätze gibt oder auch alte, wiederaufbereitete Ansätze wie die Phagen-Therapie, die schon erfolgreich eingesetzt werden. Und ich wiederhole auch gerne nochmal, was du zwischendurch gesagt hast, dass wir unbedingt mehr Finanzierung und Förderung für die Infektionsforschung brauchen. Damit sind wir direkt beim Thema unseres Leibniz-Forschungsverbunds INFECTIONS. Vielen Dank, dass du bei uns warst.

Jan Buer: Jan: Vielen Dank für das schöne Gespräch.

Elisabeth Pfrommer: Elisabeth: Danke, dass du uns einen Einblick in die Lage an deutschen Kliniken gegeben hast. Wenn euch diese Folge gefallen hat, abonniert unseren Podcast, teilt ihn mit euren Freunden und bleibt neugierig. Mehr Infos und Quellen zur Folge findet ihr wie immer im Infotext und auf unserer Webseite www.leibnizinfections.de. Bis zum nächsten Mal.

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