Folge 7: Antibiotika zwischen Mangel und Missbrauch

Shownotes

Antibiotika-Resistenzen sind ein globales Problem – sie machen an Grenzen nicht halt. In dieser Folge sprechen Elisabeth und Christian mit Renate Hartwig, die im Forschungsverbund Leibniz INFECTIONS zur Situation in Ländern südlich der Sahara forscht. Renate ist Professorin für Empirische Entwicklungsökonomie an der Ruhr-Universität Bochum, leitet die Forschungsgruppe „Bevölkerung und Entwicklung“ am RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, Essen, und ist zudem Co-Leiterin des Policy Labs „Klimawandel, Entwicklung und Migration

„Es ist tatsächlich so, dass resistente Keime auch reisen – und zwar mit uns“, erklärt Renate Hartwig. Rund 30 Prozent aller international Reisenden nehmen auf ihren Reisen resistente Bakterien auf, oft unbemerkt. Über Menschen, Waren und Lebensmittel verbreiten sich die Keime weltweit. ** Mangel und Übermaß zugleich** In vielen Ländern des globalen Südens ist der Zugang zu sicheren und wirksamen Antibiotika eingeschränkt. „Nur etwa die Hälfte der Krankenhäuser hat eine ausreichende Versorgung mit sogenannten Access-Antibiotika“, sagt die Wissenschaftlerin. Diese Gruppe umfasst bewährte Mittel wie Amoxicillin oder Doxycyclin – günstig, wirksam und mit geringem Risiko für Resistenzbildung.

Gleichzeitig sind viele Präparate, die auf den Märkten erhältlich sind, von minderer Qualität. Schätzungen zufolge sind bis zu 20 Prozent der Medikamente in Afrika gefälscht oder wirkungslos – in einzelnen Studien sogar 30 Prozent. Gründe sind u.a. fehlerhafte Lagerung, Fälschungen und fehlende Kontrollen.

Antibiotika werden in vielen Regionen „auf Verdacht“ verschrieben – etwa, wenn bei einem fiebernden Kind keine genaue Diagnose möglich ist. „Es fehlt einfach die Diagnostik, um festzustellen, um welche Art von Infektion es sich handelt“, betont die Expertin. Diese Übernutzung führt dazu, dass sich Resistenzen leichter fort- und weiterentwickeln.

Renate Hartwig forscht in Ghana, Burkina Faso und im Ostkongo. Dort untersucht ihr Team, wie Antibiotika bei Menschen und Tieren verwendet werden und wie sich Resistenzen verbreiten. Besonders eindrücklich sind die Ergebnisse aus dem Kongo: „Wir finden Resistenzraten von bis zu 80 Prozent – sowohl bei Kühen als auch bei den Personen, die im täglichen Umgang mit den Tieren betraut sind.“ Noch ist unklar, wie genau sich die Keime zwischen Tier, Mensch und Umwelt übertragen – doch die Zahlen zeigen, wie ernst die Lage ist. ** Mehr als ein Medikamentenproblem** Die Verbesserung der Medikamentenqualität allein reicht nicht aus. In einem Projekt in Burkina Faso hat sie herausgefunden, „dass die Menschen, sobald sie wissen, dass sich die Qualität von Antibiotika am Markt verbessert, auch dazu tendieren, sich viel stärker selbst die Medikamente zu verabreichen.“ Ohne klare Verschreibungsregeln und Kontrollmechanismen kann selbst gute Qualität zu mehr Fehlgebrauch führen.

Nachhaltige Lösungen müssen gemeinsam mit Forschenden und Institutionen vor Ort entwickelt werden. „Das Spannendste an meiner Arbeit ist der Austausch mit den Menschen vor Ort“, sagt Renate Hartwig. Nur so lassen sich Maßnahmen entwickeln, die an lokale Strukturen angepasst sind.

Die wichtigsten Schritte gegen Resistenzen beginnen mit grundlegender Infrastruktur: sauberes Wasser, bessere Hygiene, Abfall- und Abwassermanagement. „Wenn wir allein die Infektionslast verringern, wäre schon ein riesiger Fortschritt erreicht“, so Renate. Zusätzlich notwendig ist der Ausbau von Diagnostik und Überwachungssystemen und nicht zuletzt der Zugang zu sicheren Arzneimitteln.

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